« La
lutte elle-même vers les sommets suffit à remplir un cœur
d'homme. Il faut imaginer Sisyphe heureux. » -
Albert
Camus, Le mythe
de Sisyphe, p.
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Sonnenuntergang in Mahabalipuram. |
Ein majestätisch über den Felsen thronender Löwe. |
Nachdem man sich so langsam zurechtgefunden hatte, kehrte der erste Alltag ein. Einerseits beruhigte mich dies, da ich mich mittlerweile an so manches Ungewöhnliches gewöhnt hatte, jedoch bemerkte ich, nachdem der erste Stress und die Eingewöhnung vorüber war, wie wenig mich die Arbeit im Projekt häufig befriedigte. Sicherlich tut mir die Arbeit mit den Tieren an sich unfassbar gut, man kann sich viel Zeit nehmen zum Verweilen und Nachdenken, es ist die so viel gerühmte Entschleunigung. Andererseits habe ich den Eindruck, dass wir uns, da wir drei Freiwillige sind, häufig Aufgaben wegnehmen und es schwierig ist, jeden ausreichend zu beschäftigen. Spannend wird es sein zu beobachten, wie sich dies mit der französischen Freiwilligen, die in etwa zwei Wochen zu uns stoßen soll, verändern wird. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich tendenziell eher ein unruhiger, rastloser Mensch bin, der eine Beschäftigung benötigt, um nicht trüben Gedanken nachzuhängen. Leider ist dies viel zu selten der Fall. Nun habe ich mich jedoch dazu entschlossen, dies mit stoischem Gleichmut zu ertragen und das beste aus der Situation zu machen, weil ich die Dauer meines Freiwilligendienstes für zu kurz halte, als dass sich z.B. ein Projektwechsel lohnen würde. Allerdings gibt es auch gewisse Punkte, die mich nicht gerade in Glückseligkeit versetzen, ganz abgesehen von dem Mangel an Aufgaben. Da wäre beispielsweise das indirekt bereits angesprochene Umweltbewusstsein. Irgendwie verbinde ich mit einem Tierheim, dass es den Anspruch haben sollte, möglichst umweltschonend und nachhaltig zu operieren, da ein Nichteinhalten desselben zumindest in meiner Logik irgendwie den Gedanken konterkariert, den Tieren etwas gutes zu tun, zumindest, wenn man ihn zu Ende denkt. Denn was bringt es, den Hunden möglichst viel Auslauf zu lassen, wenn gleichzeitig überall Plastikmüllreste herumliegen. Die Krone setzt dem Ganzen meiner Meinung nach die Tatsache auf, dass die Mülleimer, die es tatsächlich gibt, letztlich doch irgendwann erst gefüllt und dann geleert werden, der Inhalt aber einfach auf einem Feld vor dem Tierheim verbrannt wird. Wenn man versucht, den Tieren im Heim etwas Gutes zu tun, aber nicht dazu beiträgt, dass sich die Situation außerhalb des Heims für die unzähligen anderen Straßentiere, die es hier in Indien nun mal gibt, zu verbessern, hat man sein Konzept meines Erachtens nicht zu Ende gedacht. Ich vermisse dabei die letzte Konsequenz. Vielleicht sollte man sich, allein aus praktischen Gründen, auch darüber Gedanken machen, Lampen und Ventilatoren auszuschalten, um Strom zu sparen oder möglichst wenig Wasser zu verschwenden; dies wären, neben dem Aspekt der Ressourcenschonung, einfache Mittel, Kosten zu sparen, was bei einem Projekt, dass sich ausschließlich durch Spenden finanziert, doch wünschenswert wäre, oder etwa nicht? Man muss dabei aber bedenken, dass dem ganzen auch enorme strukturelle Probleme zu Grunde liegen. Einrichtungen wie eine Müllabfuhr sind mir so, beispielhaft dafür, zutiefst selten unter die Augen gekommen, aber ebenso mangelt es an Mülleimern, Kläranlagen und der nötigen Bildung und Aufklärung in der Bevölkerung, um die Omnipräsenz des Mülls, ohne den man quasi keinen Blick mehr auf die Straße werfen kann, zu beseitigen.
Ein seltener Anblick: Rikscha im Regen. |
Die trüben Gedanken, von denen ich oben sprach, sind ein ständiger Begleiter; mir fehlt hier so einiges. Die Diskussion beim Abendessen, die selbstgemachte Pizza am Freitagabend, ein eventuelles Glas Rotwein dabei, aber auch die Musik, das Fahrradfahren, der Regen (ja, das norddeutsche Schmuddelwetter fehlt mir tatsächlich!) und einfach die Präsenz mir vertrauter Menschen. Nicht selten fühle ich mich hier einsam, ohne jemanden, dem ich mich anvertrauen kann. Der Kontakt nach Hause über WhatsApp ist dabei nur ein schwacher Trost, denn wie viel mehr macht es aus, wenn eine Person physisch anwesend ist, statt nur digital, mit ihren Worten und Gedanken als Nachricht in einem Chat manifestiert. Ich muss auch gestehen, dass ich das Gefühl habe, weniger zu lachen, als sonst. Wahrscheinlich ist das ein Zeichen, dass ich mit vielem verkrampft umgehe, mich unbehaglich fühle, aber dass auch die gemeinsame Wellenlänge noch nicht so gefunden zu sein scheint.
Es ist paradox: Bin ich zu Hause, in vertrauter Umgebung, sehne ich mich nach der Ferne, danach, feststehende Gedanken und Meinungen aufzubrechen, zu revidieren und anzureichern mit Erfahrungen, neue Menschen kennenzulernen, andere Orte zu sehen, zu wachsen. Bin ich in der Ferne, so fehlt mir die Vertrautheit der Heimat, eine Mentalität, die ich einschätzen kann und die Bequemlichkeit von Zuhause. Vielleicht ist dieses Suchen nach dem richtigen Weg, der zur Zufriedenheit führt, das, was mir auferlegt ist, unabhängig davon, ob mir Erfolg vergönnt sein wird oder nicht. Dennoch werde ich guten Gewissens diesen Weg weitergehen und blicke gespannt darauf, was und wer mir in den nächsten achteinhalb Wochen widerfahren und begegnen wird.